Gastvortrag im Institutskolloquium:
Warum manche Länder Geflüchtete aufnehmen und andere nicht. Ergebnisse einer qualitativen Diskursanalyse aus sechs Ländern (Chile, Deutschland, Polen, Singapur, Türkei, Uganda).
von Prof. Jürgen Gerhards,
Seniorprofessor im Exzellenzcluster SCRIPTS der Freien Universität Berlin
Nach internationalem Recht ist es Staaten nicht erlaubt, Menschen, die in ihrem Heimatland verfolgt werden, zurückzuweisen. Die Realität sieht anders aus. So wurden beispielsweise die syrischen Bürgerkriegsflüchtlinge von der Türkei und partiell auch von Deutschland mit offenen Armen empfangen, während sich Länder wie Ungarn und Polen weigerten, syrische Geflüchtete aufzunehmen. Ähnliche Länderunterschiede finden wir in anderen Regionen der Welt. Ugandas Grenzen sind gegenüber der Vielzahl von Geflüchteten aus dem Südsudan weit geöffnet, während das wohlhabende Singapore die Grenzen gegenüber der ethnischen Minderheit der Rohingya, die in ihrem Heimatland Myanmar massiv verfolgt werden, komplett abgeriegelt hat. Wie kann man diese Länderunterschiede in der Flüchtlingspolitik erklären?
Auf der Grundlage einer zusammen mit Daniel Drewski durchgeführten qualitativen Diskursanalyse von Parlamentsdebatten über Geflüchtete in sechs Ländern - Chile, Deutschland, Polen, Singapur, Türkei und Uganda –, versuchen wir zu zeigen, dass es weniger „objektive“ Faktoren sind, die die Flüchtlingspolitik beeinflussen, sondern die Deutung dieser Faktoren durch die Regierung und die Oppositionsparteien. Eine besondere Rolle zur Erklärung der Flüchtlingspolitik spielt dabei die Interpretation der kollektiven Identität der Aufnahmegesellschaft.
Zeit: 6.7.2022, 18:15 bis 19:45
Ort: Raum 02 - 445 (P 205) im Philosophicum
Über reges Interesse und eine interessante Diskussion würden wir uns freuen.